OST-Alumna: Ihre Mission - den eigenen Interessen folgen

Absolventin Software Engineering

«Programmieren kann jeder lernen. Dazu braucht es keine besonderen Kenntnisse in Mathematik, normale Fähigkeiten in logischem Denken reichen aus. Wichtig ist allein das Durchhaltevermögen.»

  • Abschluss: HSR Rapperswil Software Engineering 2017
  • Arbeitgeber: Hasura 
  • Funktion: Head of Developer Education

Marion Schleifer ist ein Multitalent. Sie hat nicht nur Übersetzung und Betriebsökonomie studiert, sondern auch Informatik. Das Programmieren hat sie selbst beigebracht. Heute engagiert sich die 34-Jährige mit viel persönlichem Einsatz für Frauen in der Technikbranche. Die Schweizerin arbeitet im Management einer indischamerikanischen Software-Firma. Ihr berufliches Umfeld ist multikulturell geprägt. Sie gehört zu den IT-Nomaden, die keinen festen Lebensort haben. Im Sommer wohnt die Nidwalderin in der Schweiz, den Winter verbringt sie in Spanien. Auch ihrem Hobby zuliebe: dem Motocross-Fahren. Sport gehört zu ihrem Ausgleich. Gerade trainiert sie für einen Halbmarathon, daneben macht sie Ballett. 

Am Anfang ihres vielfältigen Ausbildungswegs steht ihr Interesse an Fremdsprachen. «Ich konnte immer gut Sprachen und habe deswegen den Bachelor in Übersetzung an der ZHAW gemacht. Meine Fächer waren Deutsch, Englisch, Spanisch und Arabisch. Nebenbei habe ich bei der Fifa in der Kommunikationsabteilung gearbeitet. Später habe ich gesehen, dass mich die Jobs, die man mit einem Übersetzungsstudium machen kann, gar nicht interessieren», erzählt die junge Frau. «Ich wollte etwas Handfestes mit guten Berufsaussichten. Deswegen habe ich den Master in Business Administration an der Hochschule Luzern absolviert und parallel dazu am Flughafen in Zürich gearbeitet.» Inhaltlich habe sie das Studium interessiert, aber schlussendlich sah sie ihre berufliche Zukunft nicht in einer Versicherung oder einer Bank. «Ich wollte in einem Arbeitsfeld tätig sein, das mich wirklich interessiert und nicht einfach nur viel Geld verdienen». Sie war auf der Suche nach einer sinnstiftenden Tätigkeit, die ihr Freude bereitet und sie ausfüllt.

Programmieren kann jeder lernen
Zur Informatik kam Marion Schleifer über ihren Freund, der in der IT tätig ist. «Ich habe immer gedacht, dass Informatik nichts für mich ist, weil ich nicht gut in Mathe war», so die gebürtige Innerschwyzerin. Dann habe sie einfach mal Online- Tutorials besucht, um die Grundlagen des Programmierens zu erlernen und dabei festgestellt, dass ihr die Tätigkeit gefällt. Um das Gelernte in der Praxis anzuwenden, macht sie ein Praktikum bei Simplificator, einer Software-Agentur in Zürich. Zuerst kam von dort eine Absage. Dann habe sie sich direkt an den CEO gewendet und erklärt: «Ich weiss, dass ich noch nichts kann. Aber ich bin sehr motiviert und lerne schnell. Und wenn ich verstanden habe, wie es funktioniert, werde ich gerne länger bei euch arbeiten, damit ihr noch etwas von mir habt.» Sie bekam den Praktikumsplatz. Hartnäckigkeit zahlt sich aus. Anschliessend studierte sie Software Computer Engineering an der HSR. Ihr Credo: Programmieren kann jeder lernen. Dazu braucht es keine besonderen Kenntnisse in Mathematik, normale Fähigkeiten in logischem Denken reichen aus. Wichtig ist allein das Durchhaltevermögen. Um das zu vermitteln, hat sie Women Techmakers Switzerland ins Leben gerufen. Die Initiative will Frauen ein neues Bild von Informatik vermitteln und zeigen, was es fürs Programmieren und eine IT-Tätigkeit wirklich braucht. Seit drei Jahren engagiert sie sich auch bei Auratein (= arab. Frauen) Development. Die Schweizerin vermittelt und finanziert jungen Informatikerinnen aus Pakistan Projekte, damit sie ihre IT-Kenntnisse praktisch anwenden können – um beispielsweise in einer pakistanischen Agentur arbeiten zu können, an die europäische Firmen ihre IT outsourcen. 

Man traut Frauen oft nicht viel zu
Die Perspektive von Frauen in der IT ist wichtig. «Produkte werden nicht gleich gut, wenn alle den gleichen Hintergrund haben. Das zeigt sich auch in der Firma, in der ich jetzt arbeite. Die Vielfalt an kultureller und biografischer Herkunft und an Perspektiven sind zentral für den Firmenerfolg », erklärt Marion Schleifer. «Als Frau in der IT-Branche in der Schweiz zu arbeiten, ist nicht einfach. Man traut hier Frauen nicht viel zu.» Davon kann sie aus eigener Erfahrung berichten: «Ich habe mich bei meiner früheren IT-Firma als Teamleiterin beworben, aber der Chef nahm für die Position einen Mann. Seine Begründung: Eine Frau ist nicht das, was die Leute erwarten. Du passt schon von deinem äusseren Erscheinungsbild nicht. Dann habe ich dort gekündigt.» Es gibt viele Hürden für Frauen in der Informatik. Die Branche verliert viele Informatikerinnen, weil sich die Frauen wieder aus dem technischen Bereich zurückziehen. Eine ungute Entwicklung. Marion Schleifer: «Frauen müssen sich immer wieder beweisen und zeigen, was sie können.»

Aktuell arbeitet sie als Head of Developer Education bei Hasura, einer schnell wachsenden, weltweit tätigen Software- Firma mit Sitz in San Francisco. Hasura entwickelt cloudbasierte Datenbanken für grosse Firmen und hat rund 180 Mitarbeitende, Tendenz steigend. Nach zwei Jahren als Software Entwicklerin ist Marion Schleifer dort im oberen Management  tätig und leitet international zusammengesetzte technische Teams. Ihre Aufgabe verbindet technisches Knowhow mit Managementfunktionen. Ihr ist klar: «Je mehr Verantwortung ich übernehme, desto grösser ist die Gefahr, dass ich eines Tages geschasst werde. Aber solange ich etwas lernen kann, bleibe ich.» Ihr nächstes berufliches Ziel hat sie schon  vor Augen. Sie will sich mit einer eigenen Beratungsfirma selbstständig machen und Consulting-Produkte für IT-Firma anbieten. Marion Schleifer ist immer auf der Suche nach Neuem, das sie fordert und beruflich zufriedenstellt: «Mein Ziel ist, etwas aufzubauen, das funktioniert. Ich will, dass mir langweilig wird, dann kann ich wieder eine neue Arbeit machen.» 

Engagement für IT-Frauen
Marion Schleifer engagiert sich in verschiedenen Projekten: Rails Girls ist eine Workshopreihe für Mädchen und Frauen zum Einstieg in die Programmiersprache Ruby. Die Teilnehmerinnen erstellen eine App und werden von Coaches begleitet. Vorkenntnisse sind keine notwendig. Rubi Monstas ist eine freie Lerngruppe für Frauen, die wöchentlich einen kostenlosen Programmierkurs online oder vor Ort in Zürich durchführt. Der Einstieg ist jederzeit möglich. Women Techmakers Switzerland ist eine Initiative für IT-Frauen, die sich über die Ländergrenzen hinweg vernetzen wollen. Die Plattform bietet alles, was es in der Branche braucht: technische Workshops, Bewerbungstrainings und Empowerment-Kurse. 

Erschienen im September 2023:  OSTpunkt Magazin